Papst und Kirche: Moralische Instanz, aber keine politische Rolle
Die Mehrheit der österreichischen Bevölkerung sieht die Hauptaufgabe des Papstamtes in der Modernisierung der Kirche. Der Pontifex wird als moralische Autorität gesehen, politische Einflussnahme wird nicht erwartet. Die katholische Kirche ist für viele eng mit der österreichischen Identität verbunden und gilt als Hüterin des kulturellen Erbes.
Die Papstwahl fand in Österreich nur mäßige Beachtung. In einer Umfrage des Österreichischen Gallup-Instituts*, die während des Konklaves durchgeführt wurde, bekundeten nur 36% der Bevölkerung Interesse an diesem Ereignis, während sich 63% desinteressiert zeigten.
Der Papst als Brückenbauer
Vom Oberhaupt der katholischen Kirche erwarten sich 45% der Befragten Reformen und eine Modernisierung der Kirche. 34% wünschen sich, dass das Amt den Fokus sowohl auf Tradition als auch auf Erneuerung legt. Nur 9% sind der Meinung, dass kirchliche Traditionen bewahrt werden sollen. Die Verfechter:innen von Reformen finden sich überdurchschnittlich häufig unter den ehemaligen Mitgliedern der katholischen Kirche sowie unter jenen, die einen Austritt erwägen.
Ein Großteil der Bevölkerung (62%) schätzt den Einfluss des Pontifex in der internationalen Politik als gering ein. Dies entspricht auch der Erwartungshaltung: 64% sprechen sich gegen eine stärkere Rolle des Kirchenoberhaupts in der Weltpolitik aus. Gleichzeitig betrachten 71% die Person des Papstes als weltweite moralische Autorität und als „Symbol für universelle Werte wie Frieden, Menschenwürde und Solidarität“.
Zwischen kulturellem Erbe und gesellschaftlichem Auftrag
Nur rund ein Drittel (34%) der Bevölkerung würde es bemerken, wenn die Sonntagsmessen abgeschafft würden. Unter den aktiven Mitgliedern der katholischen Kirche sind es 65%. Doch selbst wenn das Interesse an religiöser Praxis gering ist, steht die Mehrheit der Bevölkerung der katholischen Kirche positiv oder neutral gegenüber (61%). Für 59% ist sie aus Österreich nicht wegzudenken.
83% der Befragten sehen den Beitrag der katholischen Kirche im Erhalt historischer und kultureller Schätze sowie in der Traditionspflege (81%). Rund drei Viertel (76%) sind der Meinung, dass die katholische Kirche die Geschichte und Identität Österreichs maßgeblich geprägt hat. Für etwa ebenso viele (75%) leistet sie einen wichtigen Beitrag für Bedürftige, 72% sehen in ihr einen wichtigen Ansprechpartner in Krisen und bei Lebensfragen. Weitere 61% heben ihr Engagement für soziale Gerechtigkeit und Menschenrechte hervor, 60% die Vermittlung ethischer Werte und 59% den Beitrag zur Bildung. Auch die Rolle der Kirche für die Förderung von Respekt und Toleranz wird überwiegend positiv wahrgenommen (58%).
Sakrosankt sind in Österreich die katholischen Feiertage – und das über konfessionelle Grenzen hinweg. Laut Umfrage sprechen sich 80 Prozent der Bevölkerung gegen deren Abschaffung aus.
Andrea Fronaschütz, Leiterin des Österreichischen Gallup-Instituts: „Die politischen Handlungsmöglichkeiten des Papstes werden aus Sicht der Bevölkerung als begrenzt wahrgenommen, obwohl er als weltweite moralische Instanz gilt und die Kirche für Themen steht, die hochpolitisch sind: soziale Gerechtigkeit, Bildung sowie die Förderung von Zusammenhalt und Toleranz. In Österreich wird die römisch-katholische Kirche vor allem als Bewahrerin des kulturellen Erbes, als Identitätsstifterin und als soziale Stütze der Gesellschaft wahrgenommen.“
* Gallup-Stimmungsbarometer: Eigenstudie des Österreichischen Gallup-Instituts, 1000 Personen repräsentativ für die (webaktive) österreichische Bevölkerung ab 16 Jahren, Methode: Computer Assisted Web Interviewing (CAWI) im Gallup-Onlinepanel, durchgeführt zwischen 2. – 9. Mai 2025